Schalke-Fans und das Internet

Schalker:innen gibt es viele, sagt Herr Wieland immer und da hat er Recht und selbst dann hab ich es immer noch nicht richtig erfasst, weil Schalker:innen sind nicht nur viele, […]

Schalker:innen gibt es viele, sagt Herr Wieland immer und da hat er Recht und selbst dann hab ich es immer noch nicht richtig erfasst, weil Schalker:innen sind nicht nur viele, sondern noch mehr und noch mehr und noch mehr. Schalke ist verdammt groß und es stimmt, wenn es heißt, dass egal wo auf der Welt eine:r „Scheiß Schalke“ ruft, eine:r aufsteht und dann gibt es, wenigstens verbal, was auf die Mütze. Wir sind halt viele und bei den allermeisten ist Schalke 04 nicht irgendwas, sondern ein Teil von uns selbst.

Wo es viele Leute gibt, gibt es viele Meinungen. Nicht jede gefällt, der Eine ist eh doof und die Andere hat doofe Ohren. So ist das im Leben.

Seit dem es das Internet gibt, vernetzen sich Menschen aufgrund gleicher Interessen, so auch bei Schalke und ich hab quasi den ganzen Weg mitgemacht. Nicht als Pionier, da waren andere schon größer aber für ein paar Anektdötchen reicht es noch.

#Schalke im IRCnet

Das erste mal Zutritt zur Schalker Online-Welt war im IRCnet, was ich nur daher kannte, weil die Leute in Internet-Cafés zu dieser Zeit alle im IRCnet waren, im Channel #flirt.de – logisch. IRC (Internet Relay Chat) kann auch heute noch Einiges, nur haben sich die Ansprüche der Nutzer gewaltig verändert. Noch vor ICQ, MSN oder wie das alles hieß, konnte man im IRC mit fremden Leuten sich chattend austauschen. Im #Schalke-Channel waren so 8-12 Verstrahlte, die meisten habe ich vergessen, aber tatsächlich habe ich zu zwei oder drei Menschen noch heute manchmal Kontakt.

Die SML, die Schalke Mailingliste

Mailinglisten waren früher unter den Nerds besonders beliebt zum Austauschen. Mailinglisten funktionieren so, dass einer etwas schreibt und es alle Empfänger:innen bekommen. Quasi ein riesiger Mailverteiler. Wenn auf Schalke etwas los ist, kamen da auch mal gerne mal am Abend 250 E-Mails und auch da wurde sich schon gezofft, meistens über Formfehler. HTML in E-Mails nicht ausgeschaltet, führte quasi zur sofortigen Todesstrafe, wer nicht im richtigen Format zitierte konnte was erleben. Schalke ist ein emotionaler Club und so wurde sich auch da mächtig auf die Krone gegeben. Alleine zu Hause im sicheren Umfeld war es schon immer einfacher, sich ein größeres Mundwerk zu erlauben, als man es womöglich im echten Leben tun würde.

Es gab im Vergleich zu heute, wo mein Schalke-Online-Erlebnis quasi auf Twitter stattfindet zwei signifikante Unterschiede. Man traf sich. Im Parkstadion an der Anzeigetafel, immer eine Stunde vor Spielbeginn und konnte den Namen auch Gesichter zuordnen, Freundschaften entstanden. Im Grunde ist da mein Name „Pepo“ von der Online-Welt in die echte übertragen worden, ohne dass ich das noch aufhalten konnte oder wollte.

Und es gab eine Nettiquette ein Set an „Regeln“, an die sich jeder zu halten hatte. Die alte Website der SML ist noch zu finden und so auch die SML-Nettiquette.

1. Schalke 04 Internet-Fanclub

Auf der SML gab es lange die Idee, doch einen Internet-Fanclub zu gründen, dass wurde rauf- und runter debattiert und ich kann mich nicht mehr so richtig erinnern, jedenfalls hat dann um die Jahrtausendwende die Schnittmenge aus Leuten aus dem IRC und der SML einen Fanclub gegründet. Den „1. Schalke 04-Internetfanclub“. Das kam nicht bei allen gut an und so zogen die „Anderen“ nach und gründeten den – Obacht – 1. geschäftsfähigen Schalke 04-Internetfanclub e.V.“ – Judäische Volksfront oder Volksfront von Judäa? – Total bescheuert, wenn man 20 Jahre später darüber nachdenkt. Jedenfalls war ich nicht bloß beim 1.-Schalke 04-Internetfanclub involviert, sondern sogar beim Aller-1. Schalke 04-Internet-Fanclub 😂

Die Foren

Es gab Westline, die hatten ein Forum, da tummelten sich viele und auf schalke04.de gab es irgendwann auch mal eines, dass war aber schnell die Heimat der Irren und ich glaube auch nicht, dass ein Fanforum beim Verein richtig angesiedelt ist. Jedenfalls ist es gut, dass es das dort nicht mehr gibt. Ich hab die Foren-Welt nur so mittelmäßig begleitet. Foren waren irgendwie nicht so mein Ding. Heute gibt es noch das „Ernst Kuzorra seine Frau ihr“-Forum auf schalker-block5.de und wenn ich das da so überfliege, dann scheint es ganz gut zu funktionieren.

Fanpages

Schalke 04 hatte eine schöne Landschaft unterschiedlichster Fanpages. Meine erste eigene Website handelte – natürlich – von Schalke. Zwischendurch gehörte mir die Domain schalker04.de, aber ich kann mich nicht erinnern, dass die je ein Konzept hatte. Aber die E-Mail-Adresse war zu der Zeit einfach der Hammer! webmaster@schalker04.de – WOW 😍

Im Gegensatz zu meiner Website gab es aber ganz viele andere mit – naja – „Konzepten“ auf schalkefan.de konnte man, wenn man Glück hatte und Matthias‘ Video-Recorder funktionierte die Tore von Schalke aus der Sportschau oder Sportstudio runterladen. Das hat auch höchstens 20 Minuten mit dem Modem, durch den keine 5Kb pro Sekunde liefen, gedauert, bis man die runtergeladen hatte. Wer vor 20 Jahren auf seinem Nokia-Telefon „Blau und Weiß“ als Midi-Klingelton hatte, war King. Das hatte Matthias organisiert und im Internet verteilt. Leider ist er 2013 viel viel zu früh verstorben, er hatte auf die Schalke-Online-Welt stets einen positiven Impact.

Bei Peter Hauptmanns unter phge.de/s04 konnte man alte Schalke-Textlieder, die im Stadion gesungen wurden, nachlesen. Das waren Klassiker wie „Jedes Jahr ein Kind, jedes Jahr ein Kind, bis wir Deutscher Meister sind“ und weitere Schmanckerl, die ich gerne heute nochmal ansurfen würde wollen.

Blogosphäre

Während Felix Magath auf Schalke Trainer war und in jede Kamera erzählte, dass er Social-Media für Schalke 04 überflüssig hält, entwickelte sich eine schöne Landschaft voller Blogs. Beim Königsblog schrieb Herr Wieland die sachlichsten Artikel über Schalke. Die halfen vielen um im Büro, mit den Arbeitskolleg:innen angemessen sprachfähig zu sein. Beim Web0.4 wurden sogar Musik-Videos produziert oder wöchentliche Schalke-Gedichte veröffentlicht. Ohne Web0.4 wäre Hans Sarpei nicht „so groß“ rausgekommen. Alle haben den Cyber auf Schalke positiv beeinflusst. Beim Wieland wurde es sachlich, beim Web0.4 gab es Punk und dazwischen gab es viele, die es auch versucht haben mit dem Texte schreiben. Zuletzt auf die Bühne kam die Halbfeldflanke, die sich taktisch mit Schalke beschäftigt und heute sogar unregelmäßig-regelmäßig einen Podcast schreibt.

Twitter

Twitter war früher ne richtige Kuschelbude. Da wurde sich auch nicht nur mit Wattebäuschen beworfen, aber es hatte gereicht, dass man ein gleiches „Thema“ hatte und das reichte um sich zunächst einmal nicht-scheiße finden zu können. Es gab auf Schalke Twitter-Treffen mit 50+ Leuten aus unterschiedlichsten Richtungen und wenn man sich gegenseitig scheiße fand, hat man den anderen halt stumm geschaltet oder wenn die eigene emotionale Impulskontrolle gerade richtig kickte, sogar geblockt. Zum Saison-Ende, wenn wie bei Weihnachten, alle nach Hause kommen zum letzten Heimspiel gab es sogar ganze Event-Tage mit Besuchen auf Zollverein und der Zeche Hugo, organisiert von visit.ruhr – ohne Kohle, einfach so, weil wir Schalker:innen sind!

Twitter ist ein hoch polarisierendes Medium. Das war es schon immer. Und weil da die ganzen Dopamin-Süchtigen abhängen, auch per se sehr emotional. Auf Twitter gibt es oft nur Schwarz oder Weiß. Wer gegen Rangnick war, ist doof und wer doof ist, ist ein schlechter Schalker. Die Meinungsspirale ist sehr einfach zu durchschauen und eskaliert schnell. Grundsätzlich wird Twitter sehr überschätzt, leider auch von Journalist:innen und so darf man Twitter nicht unterschätzen. Aber wer weiß schon noch, worüber er sich letzten Montag, letztes Jahr, auf Twitter aufgeregt wurde? Keine:r.

Seit ungefähr zwei Jahren ist Schalke-Twitter richtig scheiße geworden, es nervt fast nur noch und ich bekomme nur noch wenig mit. Ich mag den Umgang miteinander nicht ertragen. Pandemie tut den Leute nicht so richtig gut, aber wenn ich sehe, wie Screenshots von Tweets gemacht werden und sich mit ganzer Härte in gruppendynamischen Prozessen auf eine oder einen eingeschossen wird, dann schwillt mir der Kamm. Das ist ganz fieses, hinterfotziges Cybermobbing und diesen Mechanismus nehme ich viel zu häufig wahr und er widert mich an, aber das Dopamin knallt halt so schön, wenn x Leute mit drauf kloppen und man sich gegenseitig einen von der Palme favt. Da gibt es Grenzen und die sind schon lange überschritten.

Schalke-Twitter war mal die #Nerdkurve mit schönen Aktionen wie @FinaleS04 und vielen Begegnungen.

Ist auch für mich die erste Pandemie und vielleicht müssen wir alle ganz dringend am Bierstand mal wieder rumschalkern, so lange konsumiere ich was mir auf die Timeline unter @S04Podcast gespült wird nur in homöopatischen Dosen.

Wie kriegen wir datt wieder hin, datt et wieder schön wird? 🤷‍♀️

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